Brohler Kultur und Theaterszene

Ein Rückblick in die Brohler Kultur- und Theaterszene.

Von Werner Fußhöller

Eingebunden in den Mundart-Abend 2022 des Brohler Kulturvereins „Katharina“ hatte es sich der Heimatforscher Werner Fußhöller zur Aufgabe gemacht, die Kulturszene der letzten 100 Jahre in dem Rheinort zu beleuchten. Die Anregung hierzu machte der profunde Kenner der Niederlützinger Ortsgeschichte, Achim Schmitz, mit seinem letztjährigen Vortrag über den „Gesang- und Theaterverein Unterhaltung Niederlützingen“ und seine Theater-Freiluft-Veranstaltungen im „Wolfertal“.

Auch wenn sich in Brohl bereits 1881 ein Männer-Gesangverein „Frohsinn“ gegründet hatte und sich unter dem Militär-Musiker Peter Josef Lunnebach eine lose Vereinigung von Blasmusiker fand, dauerte es, bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, ehe sich auch in Brohl eine Theaterspielschar etablierte. Dieses war auch die Zeit, wo sich auch in den Nachbarorten Theatervereine gründeten, teilweise als Anhängsel an bereits länger bestehende Musikvereine. Bedingt durch die noch nach dem verlorenen 1. Weltkrieg auferlegten Einschränkungen der frz. Besatzer, war es erst ab Mitte der 20er Jahre möglich, wieder an eine öffentliche Vereinsarbeit zu denken. In dieser noch besinnlichen und ruhigen Zeit, noch weitgehendst ohne Radio, war man an den Ort gebunden. Es gab aber auch da einen Bedarf an Unterhaltung, so auch in Brohl. Besonders in den ruhigen Wintermonaten.

Als langjähriger Schriftführer und Chronist des MGV „Frohsinn“ 1881 konnte Fußhöller sich einen Einblick in die Vereinsarbeit früherer Jahre verschaffen. Hier ist festgehalten, dass gerade in den Jahren zwischen 1924-1929 einige Theateraufführungen nachgehalten sind. So kam es am 24 Nov. 1924 zu einer Aufführung des Theaterstückes „Der Postillon von R……dorf“. Weiter heißt es im Jahr 1926 – Stiftungsfest mit 2 Theatervorführungen. Und im Jahr 1929 lautete ein Eintrag – Festkommerz mit Theaterball. Diese Doppelbelastung der Sänger führte teilweise zum Erliegen der Sängertätigkeit, so dass man sich nach dieser Zeit nur noch auf den Gesang konzentrierte. Ein Beweis vom Vorhandensein eines reinen Theatervereins in Brohl zeigt eine Fotografie aus den Jahren 1926/27. Das Bild wurde anlässlich einer Aufführung des Schauspiels „Die Meistersinger von Nürnberg“, nach der gleichnamigen Oper von Richard Wagner, aufgenommen. Standesunterschied und eine ungleiche Liebesgeschichte sind Grundlage dieses Stückes. Eva, die hübsche Tochter des Goldschmiedemeisters und Meistersingers Pogner, soll mit demjenigen verheiratet werden, der beim Singwettstreit den Siegespreis gewann. Unter der Spielleitung von Jakob Fontaine (1893-1975), am Bildrand rechts, sind noch folgende Akteure bekannt:

Die Alfters, mit Josef (4) (1903-1989), Robert (7) (1905-1992) und Jakob (19) (1906-1982) waren gleich 3-mal vertreten. In späteren Jahren waren sie Rückgrat des MC „Fidelio“. Josef Solf sen. (10), „De Binne-Upa“ genannt, wird wohl, der Statur nach, den reichen Meistersänger Pognar gespielt haben.
Zu den weiteren Darstellern zählten, welche man noch nach 100 Jahren zuordnen konnte, Franz Schulte (1), Josef Weber (6), Josef Seibel (9), Willi Bündgen (18), Jakob Schreyer (20) und Paul Zerwas (13).

Über Josef Haupt (15) (1892-1962), „de Haupte Jopa“, ist in diesem Zusammenhang noch eine kleine Episode bekannt. Wahrscheinlich angetan von der Eröffnung des Nürburgringes leistete er sich einen Versprecher, der ihm bis heute noch nachhallt. Anstatt des Aufrufes „Auf nach Nürnberg“, sagte er im Überschwang „Auf zum Nürburgring“. Bei den beiden weiblichen Darstellerinnen handeltes sich links um Tilly Alfter geb. Netz (3), die langjährige Obermöhn der Brohler Möhnen, und Maria Ohm (5), bekannt als „et Bündgens Mai“. Ob es im sogenannten 3. Reich eine frei Theaterspielschar gab, ist nicht weiter bekannt. Wenn überhaupt, verlief alles nach den heroischen Gepflogenheiten nicht rühmlichen Zeit.

Mit Beginn der 50er Jahre wagte man sich an ein Wiederaufleben der Brohler Theaterszene. Mitglieder der Kolping-Familie Brohl und ein junger, dynamischer Lehrer an der hiesigen Volksschule, Alfred Neuhaus, sahen die Zeit reif, der Bevölkerung wieder etwas Kurzweil vorzuführen. Alte und neue Laienschauspieler konnte man um sich scharen und man fand wieder den Weg zu anspruchsvollen Darbietungen im Saale „Frett“. Für die Ausgestaltung hatte die Kolping-Familie genügend Handwerkskräfte in ihren Reihen. Mit Johannes Schmitz hatte man einen versierten Bühnenbild-Gestalter, der sein Können von seinem Vater Matthias Josef Schmitz in die Wiege gelegt bekam. M.J. Schmitz war in den 20er Jahren der künstlerische Leiter und Mentor der Niederlützinger Laienspielschar. Für die Laien-Schauspieler im Allgemeinen, war es eine schwierige Zeit mit dem Beginn des „Fernsehzeitalters“ noch Zuschauer zu bewegen. Die Menschen fanden es bequemer in der warmen Stube und immer in vorderster Reihe vor dem Fernsehen zu hocken. Auch wuchs dadurch der Leistungsanspruch und verdarb somit den eigentlichen Laienspiel-Charakter.

Auch wenn es nur ca. 60 Jahre zurück liegt, konnte man bei den Recherchen nur noch auf die Erinnerung Einzelner zurückgreifen. Bildmaterial und Zeitungsartikel aus dieser Zeit waren nur noch spärlich vorhanden. Eine Fotoserie aus den 50er Jahren, welche Peter Hässler, einer der Hauptakteure in der Laienspielschar, über die Zeit retten konnte, halfen mit, das Aufblühen der Brohler Theaterszene noch nachzuzeichnen. Es war erstaunlich festzustellen, wie viele Personen sich hierbei hervortaten. In Erinnerung blieb dem Verfasser eine Aufführung, des gesellschaftskritischen Dramas „Kabale und Liebe“ von Friedrich von Schiller, welches von einer ungleichen Liebesgeschichte handelte. Für die älteren Schuljahrgänge der Volksschule war ein Besuch im Dezember 1957 eine Pflicht. Das Drama handelt von einer Liebesgeschichte zwischen der Luise Miller, Tochter eines bürgerlichen Stadtmusikanten, und dem Junker Ferdinand von Walter, Sohn des adligen und skrupellosen Präsidenten von Walter. Der jungen Millerin, in der Gestalt von Hildegard Rüther, geb. Seul, und dem schneidigen Junker Ferdinand, in der Gestalt von Wolfgang Paulsen, blieb am Ende nur noch Freitod.

Hintere Reihe
Eduard Winkens und Spielleiter, Volksschullehrer Alfred Neuhaus.
Mittlere Reihe
Neben den bereits genannten Haupt-Akteuren, von links: Elfriede Windhäuser (Merz), Ursula Krahforst (Odenthal), Hildegard Holtorf (Meurer) Inge Vorbau und rechts außen den despotischen und voller Bürgerstolz wirkenden Peter Hässler.
Vordere Reihe
Lubenz Meurer, Josef Krahforst, Heinz Eckert und Bruno Rothstein.

Der erste Auftritt, nach dem II. Weltkrieg, hatte man im November 1953 mit dem Drama „Wenn du noch eine Mutter hast“ oder „Das Licht der Liebe“, welches bereits in den 20er Jahren zum Repertoire vieler Theatervereine zählte. Das Stück, ein Hohes Lied auf die Mutterliebe, schildert von einer Mutprobe zwischen drei Brüdern, wobei der Ältere sich verletzte, und sein Augenlicht verlor. Entgegen allen Gefahren opferte die Mutter die Hornhaut eines Auges für ihren Sohn. Unter der umsichtigen Spielleitung von Lehrer Alfred Neuhaus fanden sich 14 Laienschauspieler auf der passend dekorierten Bühne im Saale „Frett“.

Bereits im Januar 1954 untermalte man eine gemeindliche Weihnachtsfeier mit einem Einakter, dem Weihnachtsspiel „Der Weihnachtsengel aus der Schneehütte“. So recht in Schwung gekommen ging es 1954 weiter. Anfang April 1954 wagte man sich mit alten, bewährten Kräften an die Aufführung des anspruchsvollen Schauspielklassikers „Jedermann“ oder „Das Spiel vom Sterben eines reichen Mannes“ von Hugo von Hofmannsthal. In dem Mysterienspiel, welches im Mittelalter spielt, handelt es sich um das Sterben eines alten Mannes – Jedermann. Unter der Spielleitung von Alfred Neuhaus waren 24 Darsteller in das Schauspiel eingebunden, darunter Josef Leyendecker, als Jedermann und an seiner Seite Antonia Nonn (Bins) als Buhlschaft. In der Rolle des Mephisto war es wiederum Peter Hässler und als Mönch Jakob Zerwas, welche das Publikum zu überzeugen wussten. In diese Schaffenszeit, dem 28. November 1954, fiel auch eine Aufführung des Luststückes „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist, wobei der Protagonist des Stückes, Dorfrichter Adam, über eine Tat zu Gericht sitzen musste, welche er selbst begangen hatte. Es drehte sich hierbei um den zerbrochenen Krug. Auch in diesem Luststück waren es wieder die bewerten Kräfte, welche ihr Publikum erfreuten. Ein Rühr-Stück, welches im Mai 1955 bei den Laienspielern die Runde machte, war das von tiefer Tragik und großem Ernst durchwobene Schauspiel „Die Heimat ruft“ oder auch „Gefangen in maurischer Wüste“. Peter, der junge Sohn der Witwe Stettner, wird auf hinterlistige Art mit Alkohol und Kartenspiel für die Fremdenlegion angeworben. Als er heimkehrte, war seine Mutter aus Gram bereits verstorben. Hier war es Wolfgang Paulsen, welcher in der Rolle des verlorenen Sohnes Peter, sein ausgezeichnetes Talent bei der dramatischen Wiedergabe des Textes hervortat.

Im Hintergrund stehend:
Marlies Marx, geb. Alfter und Engelbert Hommen.
Mittlere Reihe – von links
Josef Leyendecker, Peter Hässler, Eduard Winkens, Hildegard Meurer, Wolfgang Paulsen Inge Vorbau und Hermann Wetzlar, als Kommandant der Fremdenlegionäre.
Vordere Reihe – von links
Jakob Zerwas, Karl Nett, Berta Neis, als feurige Marokkanerin, Lubenz Meurer, und Berthold Krahforst.

Da dieses noch nicht alles in der Brohler Theaterszene gewesen war, wusste Peter Hässler zu berichten.  Parallel zu der Kolping-Familie tat sich auch die DRK-Ortsgruppe Brohl in den 50er/60er Jahren mit vereinzelten Aufführungen hervor. So wusste er von einer Aufführung des Schauspiels „Der Glöckner von Notre Dame“. Leider konnten keine schriftlichen oder fotografischen Aufzeichnungen ausfindig gemacht werden.

Dass in der heutigen Zeit mit Fernsehen auf unzähligen Kanälen, Internet und sonstigen Foren, auch noch Laienspielkreise ihre Daseinsberechtigung haben, zeigen, nach 2-jähriger Corona-Pause, die aktuellen Programme der Theatervereine in unserer Nachbarschaft. Der Theaterverein Westum von 1983, welcher in regelmäßigen Abständen neue Stücke präsentierte, war aktuell in den Monaten Oktober/November mit dem Stück „Love & Peace im Landratsamt“ – Liebe und Frieden im Landratsamt, auf der Bühne. Auch die Theatergruppe „Lampenfieber“ Wassenach 1997, hat in diesem Spätherbst wieder sein Publikum erfreut. „Das-Mumien-Trödel-Trauma“ war der vielversprechende Titel. Leider ist der Bad Breisiger Theaterverein Geschichte. Ihr letzter Vorhang fiel bereits 2019. Der erst 2010 gegründete Verein konnte mit ihren unterhaltsamen Aufführungen, im Kulturbahnhof der Stadt, über Jahre ihr Publikum erfreuen. Corona-Einschränkungen und höhere Mieten brachten den Verein an seine wirtschaftlichen Grenzen, welche ein Weiter so nicht zuließen.

Auch bei den Brohler musischen Vereinen erfolgte in letzten Jahrzehnten ein Abgesang.

Mangelnder Nachwuchs und dadurch eine stetig wachsende Überalterung, waren unter anderem die Gründe für das Ende des Gesangvereines MGV 1881 „Frohsinn“. Der Verein, welcher im Jahr 2001 noch sein 120jähriges Jubiläum, jetzt als gemischter Chor, begehen konnte, musste 2004 der biologischen Uhr Tribut zollen.

Auch der Kirchenchor „Cäcilia“ musste den gleichen Weg gehen. Nach 100 Jahren in den Diensten der Kirche und zur Erbauung der Gläubigen, waren es auch hier Altersgründe und das wachsende und fehlende Interesse am Dienst in der Kirche.

Ein leistungsstarker und über die Ortsgrenzen hinaus bekannter Fanfarenzug „Rot-Weiß“ war über Jahrzehnte, von 1964 bis Karneval 2000, ein Sammelbecken für viele Jugendliche. Unvergesslich hier die Auftritte beim großen Blumen-Korso in Bad Ems.

Der Musikclub „Fidelio“ 1919 Brohl war über Jahrzehnte ein Aushängeschild im Ort. Es gab kein Ortsfest, keine Prozession und keine Goldhochzeit, wo die Musiker der Fidelio zur Erbauung aufspielten und den Ton angaben. Schon in den Anfängen wurden die Aktiven aus den Familien rekrutiert. Es waren teilweise bis zu 3 Generationen gleichzeitig in ihren Reihen vertreten. Man schaffte schon früh die Integration von Jugendlichen, welche sich der Blasmusik verschrieben. Ein eigenes Jugendorchester sollte so für Jahrzehnte einen gesunden Unterbau bieten. So war es traurig, dass der Verein just in ihrem Jubiläumsjahr sich vom aktiven Vereinsleben verabschiedete. Heute gibt es jedoch wieder Bemühungen, im kleinen Rahmen, einen Neuanfang zu wagen.

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