Bericht und Fotos Werner Fußhöller
„Mie sein alles Bröölsche Jääse, e jelöck dat mie su hääse, mie sein och kää Lötzinge Kö, un och kääne Breisije Wend jäät he.“
Der Brohler Musikclub „Fidelio“ war es, welcher mit dieser, ihrer Erkennungsmelodie, sich musikalisch und gesanglich bei ihren Auftritten auf die Heimat beriefen.
Die „Bröölsche Jääs“
Die Ortslage zwischen den Berghängen des Dickt und des Eibergs einerseits, dem Rhein und dem mäanderförmigen Mündungsbereich des Brohlbaches andererseits, gaben keine große Möglichkeit einer Viehhaltung, zumal sich die gesamte Gemeindefläche in den Pfründen verschiedener Adelsfamilien oder den Klöstern Marienstatt bzw. St. Thomas/Andernach befand.
Die kargen Restflächen ließen keine Entfaltungsmöglichkeit für die damalige Bevölkerung zu. So blieb nur die Ziege, oder in Brohl, „de Jääs“, welche den Familien etwas Vielfalt in den täglichen Speiseplan brachte. Anspruchslos und genügsam in der Futterhaltung gehörte die Ziege bis Mitte des 20. Jahrhunderts in unserer Heimat zu einem gewohnten Bild. Sie war nicht nur ein guter Fleischlieferant, sondern auch ein nicht unwichtiger Ernährer der meist ärmlichen Familien. Sie gab auch treu täglich Milch, und sogar Butter und Käse fand man somit auf dem Speiseplan.
So waren es die Steinbildhauermeister Johannes Netz und Gerd Hardy, von der Netzer-Mühle, welche bei der Ausgestaltung des Rathaus-Vorplatzes in Brohl eine Brunnenanlage schufen und dabei die Necknamen der Ortsteile Brohl und Niederlützingen verewigten.
Auf einer Basaltsäule ist für den Ortsteil Brohl eine Geiss mit einem Zicklein vollplastisch ausgearbeitet. Den Ortsteil Lützingen stilisiert ein Kuhkopf. Das Harmonieren der beiden Ortsteile bringt eine auf der Brunnen-Fassung eingearbeitete Tiergruppe von Hund und Katz zum Ausdruck, wobei die Katze an den Lippen des Hundes hängt. Es steht jedem frei, welches Tier den jeweiligen Ortsteil verkörpert.

Wie kam man zu dem Ortsnecknamen?
Die ersten Nennungen von Ortsnecknamen oder auch Spitznamen gehen vermutlich in die zweite Hälfte des 18. Jh. zurück und sorgen so für „Nettig-keiten“ zwischen den Bewohnern benachbarter Orte. Die Namensfindung ging dabei vielfach auf die einzelnen Charakter-Eigenschaften oder soziale Unterschiede zurück. Auch mussten teilweise Vergleiche mit der Tierwelt und Pflanzenwelt herhalten.
So rührt der Neckname „Kreppe Fente“ nicht von der heranwachsenden Burschenschaft, sondern von dem reichhaltigen Fischfang des Rheinortes Kripp her. Abgeleitet von der Wanderfischart „Finte“ rührt daher auch der Spottvers „Kreppe Fente, rüch es, wat se stinke“. Nicht selten führten die Namen zu Streitigkeiten zwischen den Ortsbewohnern, denn wer lässt sich schon gerne „Kelle Dudekopp“ nennen.
So waren es die Anrainer-Gemeinden im Brohltal und am Rhein, welche, wenn auf Brohl die Rede kam, nur von den „hungrige Bröölsche“ geredet wurde. Denn Brohl war bis in die Zeit der aufkommenden Industrialisierung eine recht arme Gemeinde. Es entstand so ein entsprechender Neid auf die „fetten“ Landwirte auf der Höhe. Reichlich Fläche für Ackerbau und Viehhaltung war vorhanden und der Neckname „Lötzinge Köh“ war geboren. Für Brohl blieb nur noch die mickrige und genügsame „Jääs“.
Die Burgbrohler, die glaubten, schon immer etwas Besseres zu sein, hatten so den Necknamen „Burschbröölsche ¾-Heere“ oder auch „Papierkragen“ weg.
Mit unserem Nachbar rheinabwärts hielt es sich ähnlich. Auch trat der Dünkel und das Großtuerische gegenüber den Brohlern hier in den Vordergrund. Den „Breisije Wendbüggele“ blies dabei auch oftmals der Wind in die falsche Richtung, und sie hatten dann auch ihr „Fett“ weg.
Symbol der Narrenzunft
Bei der Narrenzunft im Jahr 1904 erkor man die „Jääs“ als ihr Wappentier. Bereits die ersten Orden zeigten das Konterfei, und viele sollten in ihrem, über 120-jährigen Bestehen, folgen.
In vielfältiger Form fand das gute Tier Einklang in das Vereinsleben, so diente es als Zugtier für Prinzen-Wagen oder als bildhafte Darstellung bei Fahnen-Banner und Bühnen-Dekorationen. Die „Jääs“ wurde so zum Synonym der 5. Jahreszeit, und tat das, was sie am besten kann: Meckern. Meckern im weitesten Sinne des Wortes, über dieses und jenes.
So war es nicht verwunderlich, dass sich die Vereinsspitze in ihrem Jubiläumsjahr eine besondere Huldigung ausgedacht hatte. Und wieder sollte die „Jääs“ im Mittelpunkt stehen.
Ein spezieller Meckerorden musste her. Aber wer soll ihn erhalten?
Man fand in dem prominenten Vertreter des Mainzer Carneval, Rolf Braun, und dem exzellenten Mitstreiter des heimischen Fasteleer, in Person des Motorjournalisten und feinsinnigen Büttenredners Luki Scheuer, geeignete Persönlichkeiten, welchen diese Ehre zustand. Als Zugabe hatte man für die geehrten noch symbolisch je ein lebendes Geißlein ausgelobt, welche jedoch, nach der Ehrung, wieder auf Gut Schirmau in ihr natürliches Umfeld zurückdurften.


Die „Kuh des armen Mannes“.
Vornehmlich die „Weiße Deutsche Edelziege“ war bis Ende der 1960er Jahre als Lieferant von 500-700 Liter fettreicher Ziegenmilch jährlich besonders gefragt und nach einer Tragzeit von 5 Monaten und der Geburt von 2-3 Zicklein im Frühjahr (meist um die Osterzeit) ein guter Fleischlieferant. Dieser wieder-kauende Paarhufer mit Kinnbart war in den ersten Nachkriegsjahren noch in vielen Familien auf der Brohl anzufinden
Als einer der größten Ziegenhalter am Ort galt Emil Freitag, welcher im Hellersloch (Burgstrasse) wohnte. Neben mehreren Ziegen hatte er auch einen Bock, welcher sehr gefragt war. Da er seine Stallungen unterhalb von Schloss Brohleck hatte, wurde so der Bewuchs der Burghänge immer sauber gehalten.
Störend für die Anwohner war nicht das tägliche Gemecker, daran konnte man sich gewöhnen, sondern der Gestank des Bockes in der Rauschzeit. Nicht von ungefähr kommt daher der landläufige Ausspruch „Dau stinks bi en Bock.“


Alles andere als eine „dumme Ziege“.
Mit der landläufigen Meinung des Vergleiches mit einer „dummen Ziege“ liegt man gründlich auf einem Irrweg. Die Ziege ist in ihrer Art sehr neugierig, wissbegierig und wählerisch und drückt durch die verschiedenen Arten des Meckerns ihre Gefühle aus. Auch galt sie bei den wohlhabenden Bauern, mit Großviehhaltung, als eine Art „Gesundheitspolizei“ in den Stallungen. Erkrankte eine Ziege, war es ein Alarmzeichen für den übrigen Viehbestand.
Heute ist die Ziegenhaltung ein wichtiger Beitrag für die Biodiversität und bildet besonders durch die Beweidung im Naturschutz eine Nachhaltigkeit bei Naturschutzprojekten und -Maßnahmen. Auch wenn hierbei heutzutage mehr die „Bunte Edelziege“ oder die „Burenziege“ zum Einsatz kommt.



